17.10.23, 19:30
- 17.10.23, 21:30
KÖB St.Peter Rosellen
Brunnenstraße 1
41470 Neuss
Am 5. September sprachen wir über:
Dinner Gücyeter: Unser Deutschlandmärchen. Dieser Roman erhielt kürzlich den Preis der Leipziger Buchmesse.
Kurz zum Inhalt:
UNSER DEUTSCHLANDMÄRCHEN ist eine Familiengeschichte in vielen Stimmen. Frauen mehrerer Generationen und der in Almanya geborene Sohn erinnern sich in poetischen, oft mythischen, kräftigen Bildern und in Monologen, Dialogen, Träumen, Gebeten, Chören. Dinçer Güçyeter erzählt vom Schicksal türkischer Griechen, von archaischer Verwurzelung in anatolischem Leben und von der Herausforderung, als Gastarbeiterin und als deren Nachkomme in Deutschland ein neues Leben zu beginnen.
Die Handlung, die sich vom Anfang des letzten Jahrhunderts bis beinah in die Jetztzeit erstreckt, lässt nichts aus, keine Vergewaltigung, kein Missverständnis, keinen Konflikt am Arbeitsplatz, ganz gleich ob in der Schuhfabrik, beim Bauern auf dem Feld oder in der eigenen Kneipe. Und dann ist da noch die Erwartung der Mutter an den heranwachsenden Sohn, der ihr als starker Mann zur Seite stehen soll, selbst jedoch eine gänzlich andere Vorstellung von einem erfüllten Leben hat.
Am 5. Mai haben wir gesprochen über Adriana Altaras Buch - Besser allein als in schlechter Gesellschaft
Worum es geht?
Altaras erzählt von Ihrer Tante, der schönen Tante Jule. Von einer Frau, die 101 Jahre alt wurde, die spanische Grippe, das KZ und ihre norditalienische Schwiegermutter überlebte. Von einer so liebevollen wie eigensinnigen Beziehung. Und davon, wie man lernt, das Leben anzunehmen.
Ein tröstliches, inniges Buch, das erzählt, wie man das Leben annehmen und wie man es loslassen kann.
Adriana Altaras’ fünftes Buch, „Besser allein als in schlechter Gesellschaft“, behandelt lebensbejahend und heiter anhand zweier Frauenschicksale das Bewusstsein des Altwerdens (bei Frauen also das Überschreiten der sechzig) und des Ungeheueraltwerdens (das Überschreiten der hundert). Das sind zwei sehr verschiedene Prozesse und Bewusstseinsstadien. Doch sie kulminieren in einem gemeinsamen Dritten, das im Titel des Buches (trotzig tapfer) genannt wird, nämlich die Einsamkeit. Mit ihr kommt das bleierne Gewicht der Erinnerungen. Doch bleiern ist nichts in diesem südlich sonnigen Buch, das man am Ende gar nicht verlassen will, weil man sich in seiner ruhigen Positivität so gut aufgehoben fühlt.
Am 14. März 23 haben wir über das Buch „Lügen über meine Mutter“ von Daniela Dröscher/Kiepenheuer & Witsch
Biografie:
Daniela Dröscher wurde 1977 in München geboren, aufgewachsen in Rheinland-Pfalz, lebt in Berlin.
Studium der Germanistik, Philosophie und Anglistik in Trier und London, Promotion im Fach Medienwissenschaft an der Universität Potsdam sowie ein Diplom in »Szenischem Schreiben« an der Universität Graz. Sie schreibt Prosa, Essays und Theatertexte.
Ihr Romandebüt »Die Lichter des George Psalmanazar« erschien 2009 im Berlin Verlag, es folgten der Erzählband »Gloria« und der Roman »Pola« sowie das Memoir »Zeige deine Klasse. Die Geschichte meiner sozialen Herkunft« bei Hoffmann & Campe. Sie wurde u.a. mit dem Anna-Seghers-Preis, dem Arbeitsstipendium des Deutschen Literaturfonds sowie dem Robert-Gernhardt-Preis (2017) ausgezeichnet. Mit dem Roman „Lügen über meine Mutter kam sie auf die Short List für den Deutschen Buchpreis.
Lügen über meine Mutter:
Spielt in den 80er Jahren in einem kleinen fiktiven Dorf namens Obach im Hunsrück in Rheinland Pfalz. Daniela Dröscher erzählt größtenteils aus der Sicht eines Kindes, unterbrochen mit kurzen Resümees als erwachsene Frau, sie berichtet über die Ehe der Eltern aus ihrer Sicht in den 1980er Jahren. Wie der Vater die Mutter demütigt, Tag für Tag, weil sie ihm zu dick und dadurch nicht vorzeigbar genug ist. Er, dem die Wirkung nach außen hin fast noch wichtiger ist, als Eheglück und Frieden zu Hause. Er, der als einfacher Angestellter sein Leben lang dem Traum hinterherläuft, befördert zu werden, überhaupt Jemand zu sein. Der damit nicht klarkommt, dass seine Frau etwas besser weiß, der sie klein halten und unterdrücken muss, um besser dazustehen, mehr Schein als Sein.
Es handelt sich um einen autofiktionalen Roman:
Es gibt autobiographische Elemente, die eingebettet sind in eine fiktive Geschichte.
Aufbau:
Das Buch ist aus der Perspektive des Kindes geschrieben. Zwischen den einzelnen Kapiteln finden sich aber immer wieder Einschübe aus der Gegenwart in denen Sie als Erwachsene auf die Ereignisse zurückblickt. Neben der Einteilung in Kapitel ist das Buch auch in vier Abschnitte eingeteilt und jeder Abschnitt umfasst ein Jahr.
Die Perspektive einer Sechsjährigen, die in den Achtziger Jahren in der Provinz aufwächst und die Scham ihres Vaters über die Übergewichtigkeit ihrer Mutter übernimmt. Und die reflektierte Perspektive der akademisch gebildeten, erwachsenen Tochter, die ihrer Mutter Fragen stellt, ihre Ansichten von damals korrigiert und letztlich die Weigerung ihrer Mutter abzunehmen, sogar als Form des Widerstands erkennt. Diese Perspektiven ergänzen einander inhaltlich, geben dem Roman aber auch einen besonderen Rhythmus.
Der Roman ist „ein Kammerspiel namens Familie“. Ein ebenso berührender wie kluger Roman über subtile Gewalt, aber auch über Verantwortung und Fürsorge.
Vor allem aber ist dies ein tragik-komisches Buch über eine starke Frau, die nicht aufhört, für die Selbstbestimmung über ihr Leben zu kämpfen.
Am Dienstag, den 17.01.2023 startete die Litera`23.
Den Anfang machte das Buch "Zur See" von Dörte Hansen.
Zur See
Literaturbesprechung 17.1.2023
Über die Autorin Dörte Hansen
Dörte Hansen wurde 1964 in Husum geboren. Aufgewachsen ist sie im nordfriesischen 400 Seelen-Dorf Högel. In ihrem Elternhaus wurde nur Plattdeutsch gesprochen, erst in der Grundschule lernte sie „Schriftdeutsch“. Nach ihrem Abitur 1984 studierte sie in Kiel und Hamburg Soziolinguistik, Anglistik, Romanistik und Frisistik. Sie schloss ihr Studium 1994 mit einer Promotion in Linguistik ab. Danach wechselte sie zum Journalismus, war einige Jahre Redakteurin beim NDR und arbeitet heute als Autorin für Hörfunk und Print.
Ihr Debüt »Altes Land« avancierte zum Jahresbestseller 2015 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Ihr zweiter Roman »Mittagsstunde« war ebenfalls sehr erfolgreich. »Zur See« ist ihr dritter Roman, erschienen am 22.9.2022.
Dörte Hansen lebt mit ihrer Familie in Nordfriesland. Mit Mann und Tochter spricht sie Plattdeutsch.
Zur See: Inhaltsangabe
Das Buch "Zur See" gibt uns einen intimen Einblick in den Insel-Alltag, früher und heute. Es wird erzählt, wie die Seefahrt das Leben bestimmt hat, die Männer früher auf Walfang gingen, während die Frauen zu Hause auf ihre Rückkehr warteten.
Die Handlung des Romans erstreckt sich über ein knappes Jahr. Sie beginnt im September, hält sprungraffend bei jeder Jahreszeit inne, fokussiert wesentliche chronologische Stationen und ist fast ausschließliche auf einer No-Name-Nordsee-Insel angesiedelt, „irgendwo in Jütland, Friesland oder Zeeland“.
Im Mittelpunkt steht die Familie Sander, die sich mehr und mehr im sich wandelnden Inselleben zurechtfinden muss. In der kleinen Inselstadt gibt es ein besonders betagtes und schmuckes Kapitänshaus, umrundet von einem Walfischknochenzaun, der in die Jahre gekommen ist. Dort lebt Hanne Sander, knapp 70 Jahre alt. Seit kurzem hat sie ihren ältesten Sohn Ryckmer Sander wieder bei sich aufgenommen, weil dieser sich „langsam, aber konsequent von der Kommandobrücke eines Tankers auf einen Nordseependelkahn herabgesoffen“ hat. Er ist gequält von Ahnungen und Flutstatistiken und wartet auf den schwersten aller Stürme.
Ehemann Jens Sander lebt seit 20 Jahren als einziger Mensch auf einer nahegelegenen Vogelinsel. Als ihn ein junger Ornithologe ablöst, kehrt er sang- und klanglos zu Hanne zurück.
Tochter Eske Sander arbeitet als Pflegekraft im Seniorenheim der Insel. Sie fürchtet die Touristenströme mehr als das Wasser, weil mit ihnen die Inselkultur längst zur Folklore verkommt.
Der jüngste Sohn, Henrik Sander, ein Wunschbaby, das vor genau 30 Jahren ihre Ehe kitten sollte, ist täglich an der Wasserkante unterwegs, um dort Treibgut aufzusammeln, das er zu Kunstwerken verarbeitet. Es ist als einzigster mit sich im Reinen. Er ist der erste Mann in der Familie, den es nie auf ein Schiff gezogen hat.
Im Laufe eines Jahres verändert sich das Leben der Familie Sander von Grund auf, erst kaum spürbar, dann mit voller Wucht.